Bernstein auf deutsch
Abreisetag. Nach sieben Tagen in der goldenen Stadt. Viel gelaufen, viel gesehen, mit Kafkas Worten:
„Im Kino gewesen! Geweint!“
Viel Switschkowa, viel Palatschinken. Die ersten Tage warm, und sonnig, dann Regen, Kälte, noch mehr gelaufen, und viel zu viel gesehen, und gehört.
Die Stadt ist Golden, ja, auf den U-Bahnhöfen, wenn einem schwindlig war von der langen, steilen Rolltreppenfahrt, ja dann war sie golden, weil das Licht grell wurde, und man auf dem Bahnsteig schwankte, sie war golden in den Geschenkeläden, in all den Matroschkas, und in all dem Kristall aus Böhmen, ja , da war sie golden, und golden im Bernstein, der in Auslagen wartet.
„Hier muß ich auch noch rein, Planet, dann haben wirs geschafft…“
„Kein Problem…ham ja noch Zeit…“
Wir starren auf die Ringe in der Auslage im Fenster, starren auf das Gesicht der Verkäuferin, die uns durch den ganzen Bernsteinfunkel angrinst, dann zur Tür eilt, und winkt.
„Come in, please, come in“
„Okay, Felix, ich geh schnell rein, kannst ja draußen warten…“
„Bist du bescheuert…ich warte doch nicht im Regen…“
„Äh…dachte nur, das dich das hier langweilt…“
„Scheißegal…besser, als im Regen rumzustehen…“
Wir gehen also rein, tropfen die Fliesen voll, stehen hilflos zwischen Glimmer und getürktem Gold. Plötzlich sind es zwei Verkäuferinnen, eine gelangweilt hinter dem Thresen, die andere gezwungen freundlich, doch nicht bemüht, zu verbergen, das wir uns gleich verpissen können, wenn wir nicht über 20000 Kronen in dem Laden lassen wollen.
Es ist still…viel zu still, man hört die Schirme tropfen, das quitschen der Sohlen mit jedem Schritt.
Vorsichtig nähere ich mich einer Vitrine, sofort steht das Fräulein neben mir, ich deute auf Ringe, sie holt die Palletten raus.
Während ich mich von 10000 Kronen auf 2000 Kronen runterarbeite, wird die Dame immer ungeduldiger, und von 2000 auf 1000 beginnt sie , auf tschechisch mit ihrer Kollegin zu quatschen. Beide lachen. Ich schaue zu Planet, der wiederum an die Decke starrt, dann wieder zu mir, wir zucken mit den Schultern.
Ich deute auf einen Bernsteinring, die junge Dame macht wieder tschechische Kommentare, ihre Kollegin lacht, beide lachen, sie reicht mir den Ring, ich probiere, dann noch einen, und noch einen, mehr Kommentare, lachen.
Ich drehe mich zu Felix, sage: „Krasse Scheiße hier drin, aber wir können ja gleich gehen.“
Und ehe er antwortet, sagt die tschechische Dame.
„Ahhh, sssprechen deutsch…“
Stille.
Dann kichert sie, dann kichert ihre Freundin, dann lache ich auch, aus Verzweiflung, und weiß, das es draußen, im Regen, im Sturm, im Unwetter, im Hurrikan allemal besser ist, als hier, zwischen all dem falschen Glitzer.
Ich nehme den Ring, den letzten, den schmalen, und sie macht ihn auch noch billiger, was alles sagt, ohne Worte, ohne deutsch, ohne Tschechisch, und auf der Straße, im Regen, weiß ich das wir in ein paar Stunden abreisen, und irgendwie freue ich mich darauf.
Auf dem Bahnsteig gewesen! Geweint!
Aber dann immer wieder Gedanken an die Stunden zuvor und darin zerfließen in diesem einzigartigen Glücksgefühl.
Und Gedanken an das Lachen.
“Wir mußten uns einfach begegnen. [...]”
Gedanken an unsere Umarmung, Deine Stimme und dann die Freude auf den Freitag.
Koteletts paniert und der Samstageinkauf.
Das ist Glück pur und das ist Zuhause.