Dinge ohne Namen

Dinge brauchen einen Namen. Ohne Bezeichnung sind sie schutzlos. Nutzlos. Wie Menschen.

Mörder wollen die Namen ihrer Opfer nicht wissen. Sie wollen nur Fleisch, nicht die Beziehung.

Namen schützen. Sollten sie.

Der kleine Junge hatte einen Namen. Sobald er ihn aussprechen konnte,hauchte er ihn gegen die große Wohnzimmerscheibe, um für immer sichtbar zu sein. Hauchte und hauchte, bis ihm die Luft knapp wurde. Er schrieb ihn auf Zettel, die weggeworfen wurden, kratzte ihn nin Wände, die neu gestrichen wurden, hauchte, schrieb und kratztein einer Besessenheit, als ob mit dem verblassen, wegwerfen, neustreichenauch er gleich wieder verschwinden würde.  Als ihm gesagt wurde, er solle aufhören, überall seinen namen hinzuschmieren, bekam er angst.

Ich muß ihn aufschreiben – wimmerte er.

Warum denn?

Na…na…na…weil, sonst, sonst bin ich weg?

Das Gelächter klimperte in seinen Ohren und explodierte im Herz.

Schätzchen, du bist niemals weg. Und jetzt laß das mit dem Namen. Jeder weiß wie du heißt…ehrlich…schreib andere Sachen…

Und er versuchte es…schrieb nur noch ganz selten in versteckte Ecken die acht Buchstaben…dann nur noch Initialen…und war glücklich…ja…es funktioniert, dachte er, ich bin nicht weg…ha ha…

Dann starb sein Vater.  Und er wußte warum. Er hatte wohl das Wort Papa an diesem Tag einmal zu wenig gesagt.

Da war er 5, der November dunkel, der Kindergarten eine Märchenstunde, Weihnachten überschwenglich, viel Schnee und viel zu lautes lachen.

Leonard Cohen

Eine Konzerthalle in .. ich weiß nicht mehr wo, Licht, das nach Dunkelheit schmeckte, und Lippen, die Worte formten, die ein alter Mann zur Gitarre sprach…Jede Zeile lautlos in den Rauch flüsterte, synchron.

Eine Konzerthalle in Wien, ein Mund, der sich zum Gesang bewegte, eine Frau, die es nicht mehr geben wird, und ein tanz, den nur Sterbende tanzen, oder Liebende, mein Schwan, nimm diesen Walzer…und danach den Kuß auf die Stirn, dort, wo der Schweiß am süssesten schmeckt…genau dort.

Eine Konzerthalle in einer Stadt, die Wien nicht mehr sein kann, denn wir sind schon lange nicht mehr dort, und alle Träume sind fest in mauern eingeschlossen, und der Wein schmeckt nach dem Kuss, der von der Stirn tropft…ein alter Mann, der vom Tod singt, dabei die Liebe meint, immer wieder die Liebe besingt, mein Mädchen, nur diesen Walzer, nimm ihn, und ihre Worte sind doch wieder in dieser Halle, und bewegen sich lautlos zum Gesang des Partisanen.

Eine Konzerthalle in Wien, oder ich weiß nicht mehr wo, ein alter Mann und die Liebe, zehn Frauen und neunhundert Fenster, ich will dich, ich will dich, ich will dich, drei viertel und ein Mund, der niemals die Liebe versprach, ein Finger, der Schweigen verlangte, und Verlangen, das aus Fingern Unaussprechliches gebar.

Unser Kind ist der Walzer, und Wien unsere Krippe, Jesus ist der Fotograf, der deine Lippen verewigt, und ein Kreuz, das keines mehr ist, da die Balken unsere Bettstatt wurden.

Eine Konzerthalle in Wien und die Frau steht nun Schweigend, ein lächeln im Rotwein und am Kinn eine Träne, die das Auge nicht mehr aufhalten konnte, ein Blick zur Bühne, ein Schritt vor, und eine Drehung…nimm diesen Walzer, Suzanne.

Der Autor will ...

1Alexander

Bücher verkaufen, den Alltag aufschreiben, Kaffee trinken, oft zuviel, manchmal Geschriebenes vorlesen, mal laut, mal leise, Musik auf den Tag abstimmen, oft dabei scheitern, weil die Stimmung zu oft wechselt...schlafen, wenn es geht, oder am offenen Fenster rauchen und ...mit einer wundervollen Frau an einem unendlichen Buch schreiben ...

Über den Autor ...

Geboren in Berlin, nach 10 Klassen einen Metallberuf erlernt und wieder aufgegeben, dann Wende, dann Abitur, vorher Zivildienst, dann Studium, abgebrochen, und am Ende Buchhändler...noch vor der Rente...in dieser Zeit immer öfter geschrieben, seit 2003 bei den Lautmalern, vorher NUREMBOURGH gegründet, musikalische Lesung eigener Texte, mit CD im Selbstverlag, 2008 "Blut" in Vision und Wahn Anthologie veröffentlicht, seit 2008 bei den Spree AG lern, und jetzt mal sehen ...